Mit dem Rad entlang der Küste des Baltischen Meeres
(Fotos vergrößern durch Draufklicken)
Start in Tallinn: Nach einer aufregenden Nacht im
Party-Hostel wird zum Start der Tour die aufgeputzte
Altstadt von Tallin besichtigt. Sehr museal und bestens
für die vielen Touris vorbereitet.…
Auf dem Marktplatz stören allerdings die Fahrräder
vom Kreuzfahrtschiff.
Klaip
eda
TOURDATEN
3. bis 22. September 2016
Baltic Tour 2016
An manche Schilder muss man sich erst gewöhnen
Dusche für Autos?
200m zum modernen Zug?
Schmucke gepflegte Häuser und Gärten am Wegesrand.
Der überall anzutreffende schwedische Baustil lässt auf
eine bewegte Geschichte Estlands schließen.
Nicht immer kann man auf Nebenstraßen fahren.
Die E67 ist hier der offizielle Radweg. Immerhin,
25 cm neben der weißen Linie sind geteert! Das
ist nicht immer so, wenn nicht, heißt es auf der
Linie zu fahren und den Lenker gut festzuhalten,
wenn ein LKW in geringem Abstand vorbei fährt.
Wenn dieses Schild kommt,
schwant es einem schon: Der
Asphalt endet jetzt, weiter geht’s
auf Schotterpiste….
Wer hat freie Fahrt ? Nein, hier war früher eine
Eisenbahnstrecke bis zum nördlichsten Hafen Lettlands
um Güter direkt per Schiff exportieren zu können (keine
Fotomontage, Aufnahme kurz vor der Mole).
Manchmal wird es mit den Informationen übertrieben.
Diese Infotafel steht so weit von der Straße entfernt, dass
ein Autofahrer nichts erkennen kann. Selbst für den
interessierten Radfahrer ist es schwierig genug, das
Fahrrad durch den Graben dorthin zu bewegen.
Die Storche ziehen es im September vor,
das Baltikum bereits verlassen zu haben.
Große Schwärme von Sibirischen Enten
kreisen öfter, um sich für den Weiterflug
nach Süden zu formieren.
ln der quirligen Stadt Riga stößt Volker zur Tour. Peter
hat von Tallin bis hierhin schon 470 km geschafft.
Vor uns beiden liegt jetzt noch der Rest von Lettland,
danach Litauen, die russische Exklave Kaliningrad und
der letzte Teil über polnischen Boden bis Danzig.
Von Riga geht es an die Küste, wo es uns am Badeort
Jurmala über die Dünen zum Meer treibt.
Der Uferbereich des endlosen Sandstrandes ist so fest, dass
wir mit den voll beladenen Rädern problemlos vorwärts
kommen. Über einige Kilometer gewinnen wir dabei schöne
Eindrücke über die Badegewohnheiten der Einheimischen.
Diese Eindrücke lassen sich für einen der beiden
Reisenden nur mit freiem Oberkörper ertragen...
Der idyllische Hafenort Pavilosta inmitten von
Lettland hat zahlreiche Restaurants und
Unterkunftsmöglichkeiten. Davon ist jedoch Mitte
September nichts mehr geöffnet, wie uns die netten
Damen im Tourist-Office beichten. Wir werden in ein
Ferienhaus mit Küche einquartiert. Die Küche besteht
aus einer einzelnen Elektroplatte und einer Pfanne -
fertig! Da ist ein wenig Improvisieren gefragt.
Die übrig gebliebenen Eier stellen wir am nächsten
Morgen vor die Haustür, da wir nicht sicher sind, ob in
diesem Jahr noch mal jemand ins Haus kommt.
Zur kurzen Rast laden in Lettland die üppig
behangenen Apfelbäume am Straßenrad ein. Wenn wir
gewusst hätten, dass dies in Litauen und erst recht in
Russland mangels entsprechender Bäume nicht mehr
möglich ist, hätten wir uns hier die Taschen
vollgestopft.
Statt dessen leben wir von der Hand in den Mund...
Frischer, schwarzer und
aalglatter Teer in weiten Teilen
der baltischen Staaten. Hier soll
es mal Schlaglöcher gegeben
haben? Wir freuen uns auf die
gelungene EU-Unterstützung
beim Ausbau der Straßen-
Infrastruktur, die uns zu einem
ordentlichen Tagesschnitt
verhilft.
Warum es aber alle paar
Kilometer mitten im Wald eine
fein angelegte Bushaltestelle
geben muss, entzieht sich
unserem Verständnis.
Wir begegnen im Laufe der Reise so manchem
Schild mit der blauen EU-Fahne, das jeweils für ein
gefördertes Projekt steht. Manchmal fragen wir uns
allerdings, ob nicht besser mal jemand aus Brüssel
hier vorbei schauen sollte, um die Sinnhaftigkeit und
Nachhaltigkeit dieser Investitionen zu prüfen...
In Palanga (Litauen) staunen wir im Bernsteinmuseum über die
Vielfalt und Menge der Vorkommen dieses begehrten und bis zu
300 Millionen Jahre alten Rohstoffs. Das Baltikum, insbesondere
aber die Kaliningrader Küste sowie die Danziger Bucht sind
weltbekannt für die Funde. Die Steine werden dort nicht mühselig
am Strand gesammelt, sondern industriell im Tagebau gefördert.
Mondaufgang über dem
Hafen von Klaipeda
Das Durchqueren der Kurischen Nehrung (UNESCO-Weltkulturerbe) wird wie erhofft zu einem Höhepunkt der ganzen Tour.
Nach dem Übersetzen mit der Fähre von Klaipeda zwingt uns der einzige Regenschauer dieser Tour (von Peters Anreisetag
mal abgesehen) unter dieses Dach. Doch nach wenigen Minuten kann es schon weitergehen, die dunklen Wolken ziehen
Richtung Festland.
Uns erwartet bis zur russischen Grenze ein 50 Kilometer langer Radweg, der sich gänzlich getrennt von der Straße kurvenreich
durch Kiefernwald und entlang der Dünen windet. Wir sind fast allein unterwegs und versuchen uns vorzustellen, wie hier wohl das
Durchkommen an einem Sommerwochenende ist.
In Nida (Nidden) erklimmen wir - wie alle anderen Touristen auch - eine der höchsten Dünen Europas und genießen einen
exotischen Blick über Haff und Meer, im Vordergrund eine scheinbar endlose Sandwüste.
Lassen uns die Russen rein, obwohl sie im
Moment keine Äpfel mehr von "uns" bekommen
(EU-Sanktion)??
Wir preschen frech an der Autoschlange vorbei
bis zur Zöllnerbude, man kann's ja mal
versuchen. - Dort öffnet sich die Tür und der
Beamte pfeift uns hinter eine weiße Linie
zurück.
Trotzdem kommen wir noch vor den wartenden
Autos dran und nach insgesamt 15-minütiger
Kontrolle unserer Visa sind wir in Russland –
wenig spektakulär.
Das Fortkommen auf dem russischen Teil der Nehrung
gestaltet sich nicht ganz so komfortabel. Es gibt keine
Radwege und zahlreiche SUVs westlicher Bauart
ärgern uns bei ihren Überholmanövern.
Im Seebad Zelenogradsk (Cranz) fallen uns die vielen
S/W-Fotos aus der "guten alten deutschen Zeit" vor dem
Krieg auf, die hier großflächig Zaunwände schmücken!
Was macht die deutsche Flagge vorne am Pier? Wir
nehmen das staunend zur Kenntnis und vermuten, dass
der Ort auf der Suche nach einer neuen Identität an
diese Zeit anknüpfen möchte. Ob das Putin wohl gefällt?
Kaliningrad lassen wir mal aus dieser
Reisebeschreibung raus. Diese Stadt, so wie
wir sie erlebt haben, verdient noch nicht mal ein
Anstandsfoto. Obwohl: Freundliche und
hilfsbereite Menschen sind uns aber auch hier
begegnet! Und wer dort ein gutes Hostel sucht:
"Hostel 39 Region"!
Die Tour ist komplett als GPS-Track vorgeplant. Das lässt
sich dann auch in den meisten Fällen mit dem Navi so
fahren.
Aber es gibt Ausnahmen, wie hier in Polen. Der Track führt
von der Straße weg auf einen Betonplattenweg, der
unvermeidlich zu einem Feldweg wird. Dessen Zustand
verschlechtert sich zunehmend, tiefe Furchen können nur
schiebend bewältigt werden. Wir sind heilfroh, dass es
schon so lange trocken ist, sonst wäre das eine
Riesensauerei geworden.
Dann eine kurze Passage auf einem Wiesenpfad bis
irgendwann nichts mehr geht. Hier gab es wohl mal
einen Weg auf einem Damm längs eines
Wassergrabens, aber der ist vollständig zugewuchert.
Links und rechts nichts als frisch und vorbildlich
gepflügte Äcker. Der wiederholte Blick auf das Navi ist
ernüchternd: Wenn wir nicht zurück und einen
Riesenumweg in Kauf nehmen wollen bleibt uns nichts
weiter übrig, als die Räder ein unbestimmtes Stück über
die Äcker zu schieben. Schon seit Tagen prophezeien
wir uns: Jeden Tag eine Überraschung! Das muss wohl
die heutige sein.
Wer das ehemalige Zentrum des Deutschordens Marienburg auf ein einzelnes Foto bannen möchte braucht schon
ein ordentliches Weitwinkelobjektiv. Die Wiederherstellung des größten zusammenhängenden Backsteinbaus der
Welt ist 2016 abgeschlossen worden. Den Ort erreichen wir erst am Nachmittag und so müssen wir die gute
Audioguide-Führung im Schnelldurchgang absolvieren, da die Anlage schließt...
Das Ziel unserer Tour ist die mondäne Hansestadt
Danzig. Den nicht benötigten Reservetag können wir
gänzlich touristisch nutzen. Wir sind überwältigt von den
Eindrücken der vorbildlich restaurierten Altstadt.
Natürlich darf auch ein Besuch der Westerplatte nicht
fehlen, auf der am 1. September 1939 der Zweite
Weltkrieg begann.
Der Reiz dieser Radtour lag vor allem in der bewegten Geschichte dieser Region, lebte aber auch von
dem Kontrast, der sich durch die relativ schnelle Durchquerung dieser Länder ergibt. Wo noch auf der
Welt ist das möglich, innerhalb dieser kurzen Zeit selbst mit dem Rad so viele Grenzen zu passieren?
Kultur, Kontraste, alles schön! Aber was wäre eine solche Reise ohne das richtige Wetter? Zur
Fortbewegung auf dem Rad und vor allem zu einer Küstentour passt Sonne. Und von der haben wir
bei sommerlichen Temperaturen so viel gehabt, dass wir es selbst kaum glauben konnten, als an
einem neuen Morgen wieder ein strahlend blauer Himmel zum Aufbruch lockte. So ein Glück, vor allem
nach diesem tristen Sommer kann man nicht planen, nur dankbar entgegen nehmen und hoffen, dass
es noch einen Tag länger hält.
Und es hat gehalten.
Das Baltikum ist eine Reise wert. Nur eine???